Die Freiheit


 Meditation über Freiheit

 

Freiheit bedeutet: frei sein. Frei wie ein Vogel, aber nicht vogelfrei. Zu tun und zu sagen, was nötig ist und dann, was man möchte.

 

Frei auch von körperlichen Einschränkungen und Mängeln!

 

Frei das war ich früher, während des Reitens. Dann während des Bikens. Biken ist nicht „Radeln“. Biken ist härter.

 

Berge durch Wälder hinauf, über dicke Wurzeln, durch Schlamm und Treibsand, durch lange Äste und manchmal durchs Gebüsch, und über Geröll. Das ist nicht leicht, und die Muskeln protestieren, besonders der Musculus tibialis posterior, der hintere Wadenbeinmuskel.

 

Weiter. Der Muskel kann sich später entspannen, und auch der Atem normalisiert sich rasch.

 

Ja, das ist auch Kampf. Oder nein Herausforderung. Provokation. Neusetzung der Grenzen. Der eigenen.

 

Ich akzeptiere diese Grenzen nicht. Nicht beim Gitarrespielen, dass ich unbedingt schnell lernen wollte und auf Stahlsaiten begann, die die Finger einschneiden dafür gibts schnell Hornhaut. Nicht beim Singen. Mehr Weite fördert schöne Töne, und auch das hohe, dreigestrichene F ist zu schaffen.

 

Ich habe mich nicht mit anderen verglichen, Wettkämpfe gab es nur mit mir.

 

Freiheit das war trotz aller Anstrengungen und Kampf mein Mountain bike, mein Cycle Wolf, mein Gefährte. Wir bezwangen alle unwegsamen Pfade oder Schlammwüsten und ließen die Touren auf der Straße hinterm Deich ausklingen. Das bedeutete auch manchmal ein Rennen. Gegen Traktoren hinter uns, die uns nicht überholen konnten, da sie nur 25 km/h fuhren.

 

Das war meine Freiheit. Der Wind um die Nase, in den Haaren. Die Hände an den Handle Bar Ends, um an den Steigungen das Bike hochzuziehen.

 

Meine Freiheit. Auch heute noch spüre ich den Ansatz, mit dem gelben Gefährt auch auf unebenen Wegen. Aber das ist nicht mehr dasselbe.

 

Meinen Cycle Wolf gibt es noch. Er wartet, vielleicht vergebens. Manchmal traue ich mich, nur für eine kleine Runde. Das ist noch ein kleines Bisschen Freiheit von meinem Körper.

 

 

 


Über die Freiheit
Nicht philosophisch, sondern vom eigenen Leben ausgehend. So steht es auf meinem
Hausaufgabenzettel. Na super, denke ich. Freiheit ist Philosophie und ist Politik. Und da
fällt mir ein Gedicht ein. Ein Gedicht das im Inneren der Freiheitsstatue in New York
angebracht ist.
The New Colossus ist ein Sonett von Emma Lazarus, das diese 1883 verfasste. Es war
als Beitrag zu einer Kunstsammlung gedacht, die Geld für den Bau des Podests der
Freiheitsstatue in New York sammeln sollte. Ich zitiere hier aber nur das letzte Drittel:
„Behaltet, o alte Lande, euren sagenumwobenen Prunk“,
ruft sie(hier ist die Freiheitsstatue gemeint) mit stummen Lippen.
„Gebt mir eure Müden, eure Armen,
Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren,
Den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten;
Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen,
Hoch halt' ich mein Licht am Gold ‘nen Tore!“
Das Gedicht behandelt die Millionen von Immigranten, die in die Vereinigten Staaten von
Amerika kamen (viele von ihnen über Ellis Island im Hafen von New York), und die
Identität der Vereinigten Staaten als erklärte Einwanderernation begründeten.
Politikphilosophie – gibt es das überhaupt? Egal – ich soll ja über meine ganz persönliche
Freiheit schreiben. Und die ist politisch motiviert. Mag sein, dass es von meiner Kindheit
und Jugend ausgeht, basierend auf der vielen Zeit, die ich im Osten als Westbesuch
verbracht habe. Oder aber, dass ich als Angehöriger einer Oberschicht – ohne
persönliches Zutun – in Ländern gelebt habe, deren Gesellschaft höchst ungerecht
gegliedert ist und daher die Mehrheit der Bevölkerung unter entsprechenden
Machtstrukturen leidet.
Für mich bedeutet Freiheit die Möglichkeit, mein Leben so zu gestalten, wie ich es
verantwortungsbewusst für mich gestalten möchte. Freiheit heißt nicht uferlos egoistisch
leben. Benito Juarez (der einzige Indiopräsident, den Mexiko jemals hatte) hat einmal
gesagt, Achtung vor dem Recht des anderen ist Frieden. Frieden ohne Freiheit ist nicht
möglich. Meine Freiheit hat Grenzen weil Freiheit Verantwortung beinhaltet. Verantwortung
gegenüber meiner Familie, meinen Mitmenschen.
Die Gestaltungsform dieser Verantwortung soll aber bitteschön mir überlassen bleiben.
Und das ist meine ganz persönliche Freiheit!


Ein Brief an meine Kinder

 

Liebe Kinder,

 

wir haben es so gut und schätzen es zu selten. Wir sind so frei. Eure Oma konnte nicht so frei leben. Als sie verheiratet war, musste sie ihren Mann, euren Opa, um Erlaubnis fragen, weil sie gern wieder arbeiten gehen wollte, um ihr eigenes Geld zu verdienen. Er erlaubte es ihr nicht, er hatte das Recht dazu. Sie ging heimlich arbeiten und verdiente heimlich ihr eigenes Geld, das gemeinsame Geld hatte Opa versoffen. Frei wurde sie erst, als sie geschieden und Opa tot war.

 

Ich war so frei. Ich konnte entscheiden, welchen Schulabschluss ich mache, ich konnte entscheiden,was und wo ich studieren wollte, in welchem Land ich leben wollte. Ich konnte entscheiden, ob ich lange oder kurze Haare trug, ob ich lange oder kurze Röcke wollte. Ich konnte entscheiden, ob ich an Gott glaube. Ich war so frei, zu entscheiden, ob ich den Typen, den ich kennengelernt hatte, in mein Leben lassen wollte, damit sich für uns gemeinsam die Weichen stellen, oder ob ich ihm den Rücken kehrte und Neues allein entdeckte.

 

Es gab immer nur einen Zwang, den Zwang, sich zu entscheiden. Wenn der innere Kern fehlt, das Vertrauen zu sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten, dann wird die Wahl zur Qual. Die Belanglosigkeit kann dich runter ziehen bis ganz unten. Wenn nichts mehr gilt und alles geht.

 

So war das Leben oft ein Balanceakt. Da mir keiner was zu sagen hatte, musste ich mir eigene Regeln schaffen, Ziele setzen, die mir Halt gaben. Mal mehr mal weniger Halt.

 

Verantwortung war mir zuwider. Schon der Besitz einer Waschmaschine, die ein Freund zurückließ, machte mich unfrei. Meine Habe passte in ein kleines Auto. Ich schaute selten zurück, fing oft neu an und lebte mich schnell ein, war im Hier und Jetzt.

 

Und nun seid ihr da, meine kleinen Fußfesseln. Meine nölenden Knatschis, wenn morgens um 6 der Wecker klingelt. Meine Könige der Widerworte. Nun ist nach der Waschmaschine vor der Waschmaschine. Einer quatscht immer. Ich muss nicht mehr überlegen, was ich will, meine To-Do-Liste regelt das für mich. Die Freiheit ist perdu, sie muss noch ein paar Jährchen in der Warteschleife versauern. Aber ich freue mich jeden Tag über die Zeit mit Euch. Ich hoffe, dass das Aufwachsen im Tragetuch und in der Besucherrize unseres Bettes, das Gutenachtgeschichtelesen, das Ausschimpfen garstiger Kinder, die euch Böses wollten, das Kämpfen ums Zähneputzen, Euren Kern so stark gemacht haben, dass ihr ganz tief spürt, was das Richtige für Euch ist. Und das macht ihr dann auch gefälligst! Und ich versuche, zu sein wie gutes Haarspray: Euch Halt zu geben ohne zu kleben!


Gedankensplitter zur Freiheit

 

Freiheit ist ein Gefühl, das nicht zu beschreiben ist.

 

Sie ist immer in Bezug auf etwas ganz Besonderes, auf den Lebensbezug. Ich erlebe

 

Freiheit im Alltag:

 

Ich kann nicht machen, was ich will, sondern muss nicht machen, was ich nicht will.

 

Ich fühle mich frei.

 

Als Christ habe auch ich Gebote zu befolgen. Diese sind jedoch keine Einengung. Sie

 

bedrohen mich nicht in meinem Lebensalltag. Sie eröffnen einen Raum der Freiheit.

 

Gebote werden gebraucht im Kontext mit der Freiheit. Gebote machen Freiheit erst

 

möglich.

 

Freiheit ist keine Beliebigkeit. Sie schafft Verbindlichkeit.

 

Sie erfordert immer eine Entscheidung. Diese Entscheidung hat dann Konsequenzen.

 

Dietrich Bonhoeffer:

 

Der Anfang ist die Freiheit und wie wir die Freiheit immer nur in der Notwendigkeit denken

 

können, also als das eine unter anderem, aber wie als das Eine schlechthin vor allem

 

anderen.“